Dialog

Welche Rolle können und sollten Politik und gesellschaftliche Institutionen im Rahmen der Digitalisierung spielen?

ein Beitrag von Gerd Neidhöfer, 14.02.2019

Unser Wohlstand in Zentraleuropa ist begründet durch unseren Vorsprung in Kultur, Bildung, Technologie im Vergleich zum Rest der Welt. Dieser Vorsprung schmilzt schneller dahin als das Eis der Gletscher. Die Digitalisierung ist nicht der einzige Grund dafür, aber ein wesentlicher und mächtiger Treiber dieser Veränderung. Für die Sicherung unseres Wohlstands und unserer Werte müssen die Politiker sich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung, insbesondere im Wettbewerb mit anderen Ländern, aber auch mit Blick auf die EU, unbedingt und intensiv auseinander setzen.

Der Digitalrat ist ein guter Ansatz, hat m. E. aber nicht genug Stimmgewalt, erscheint mir eher als Alibiveranstaltung, siehe auch https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/digital-made-in-de/der-digitalrat-experten-die-uns-antreiben-1504866. Ein zweimal jährlich gegebener Rat an die Bundesregierung wird bedauerlicherweise kaum verstanden werden und einfach verpuffen.

Die Anregung „jetzt alle selbst in die Politik zu gehen 😉“ ist sinnvoll, aber die Reibungsverluste wären hoch und die Wirkung erst in 5-10 Jahren spürbar. Besser wäre, einen Teil unserer Politiker zu informieren, zu motivieren, zu lenken und Wege zum Erfolg zu zeigen.

Unser Bundestag ist mit 709 Abgeordneten maßlos überbesetzt, die Hälfte würde völlig genügen. Leider sehe ich keine Chance die Überzahl abzubauen, also gebe man ihnen sinnvolle Aufträge.

Wenn 5% aller Abgeordneten (ca. 35 aus allen Parteien des Bundestages), kombiniert mit einer vergleichbar großen Zahl von bewährten Unternehmenslenkern plus dem Digitalrat, viermal p.a. professionell moderierte, 2-3-tägige Zukunftsworkshops durchlebten, könnte man positive Einflüsse auf die Politiker an der Macht (Bundestag) erwarten. Die beteiligten Abgeordneten sollten durch ihre Erkenntnisse den Leidensdruck erreichen, der sie zu Einflussnahmen im Bundestag bewegt. Für die Nicht-Politiker der Arbeitsgruppe sollte eine Aufwandsentschädigung einkalkuliert werden.
Der Digitalrat ist der Regierung nahe und könnte ein solches Vorgehen empfehlen.

Lesenswert dazu auch: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/nur-geringes-vertrauen-in-digital-kompetenz-der-regierung-16040484.html#void

Wie sehen das die Mitdiskutanten?

ein Kommentar dazu von Jürgen Stahl, 02.03.2019

Grundsätzlich halte ich den Vorschlag, die Politik stärker mit dem Thema Digitalisierung vertraut zu machen, für gut. In der Tat wird aktuell darauf viel zu wenig Zeit und Ressource verwendet – damit kann man der aktuellen Entwicklung weder im Umfang noch in der erforderlichen Geschwindigkeit auch nur annähernd gerecht werden.

Allerdings glaube ich auch, dass man damit alleine dem Problem nicht Herr werden wird – aus zwei Gründen: zum einen, weil viele der im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung zu lösenden Fragestellungen globaler Natur sind und sich insofern national-staatlich überhaupt nicht adäquat adressieren lassen. Beispiele sind Themen wie Security, ethische Fragestellungen wie beispielsweise beim autonomen Fahren oder der Gentechnik, etc. etc. Zum anderen ist aus meiner Sicht der gesellschaftliche Druck auf Politik und Institutionen bei weitem noch nicht ausreichend, um für ausreichend schnelles Handeln zu sorgen. Es müsste deutlich mehr gesellschaftlicher Druck auf die politischen Institutionen aufgebaut werden und zwar nicht von denen, die es eigentlich kaum noch betrifft (uns!), sondern von der nächsten und übernächsten Generation. Hier zeigt m.E. das Beispiel der aktuell stattfindenden Schüler-Proteste zum Thema Klimawandel, dass diese Generation keineswegs so unpolitisch ist, wie man ihr immer vorwirft. Diese Bewegung hat außerdem den Vorteil, dass sie sich nicht auf Nationalstaaten beschränkt, sondern das Thema zunehmend global adressiert.

Insofern wäre mein zusätzlicher Vorschlag zu überlegen, wie man auch für das Thema Digitalisierung ein entsprechendes Interesse bei „der Jugend“ wecken kann, um diese Generation auch für die hieraus resultierenden gesellschaftlichen und politischen Fragen zu mobilisieren. Eine entsprechende Initiative, um zum Beispiel in Schulen mehr über das Thema Digitalisierung und die Folgen zu berichten, wäre m.E. hier ein gangbarer Weg. Natürlich könnte auch die Digitalisierung selbst Mittel zum Zweck sein, indem man entsprechende Informationen für digitale Medien aufbereitet. Bliebe zu überlegen, in welchem Rahmen sich eine solche Initiative organisieren ließe?

Für entsprechende Anregungen wäre ich sehr dankbar.

Einfach anmelden unter dialog@utopischer-salon.de und mitdiskutieren!