Wer braucht schon Privatsphäre?

Haben Sie „The Circle“ gelesen? Oder vielleicht den Film mit Emma Watson gesehen? Darin wird von einem riesigen Konzern erzählt, der die Dienstleistungen der heutigen Googles, Facebooks und Amazons aus einer Hand anbietet und so ein absolutes Informationsmonopol aufgebaut hat. Absolute Transparenz wird zum ethischen Ziel erklärt, zur obersten Bürgerpflicht, zum Diktat. Die Freiheit des Individuums ist nicht nur unwichtig, sondern anrüchig, verdächtig, kriminell. Denn wer gut ist, hat viel (mit-) zu teilen, aber bestimmt nichts zu verbergen … Und wenn alle gut sind, ob aus eigenem Antrieb oder nicht, dann lebt es sich ja für alle gut, dann ist alles gut – oder? Totale Transparenz ist auch totalitär.

Ich habe doch nichts zu verbergen … oder?

The Circle ist kein absurdes Szenario. Daten seien ja das Öl oder das Gold der Zukunft, heißt es. Dennoch gehen wir mit unseren Daten recht großzügig um, jedenfalls nicht so, als wären sie uns viel wert. Wir klicken auf „accept“, ohne groß darüber nachzudenken, wenn wir einen Dienst nutzen oder upgraden wollen. Convenience ist alles. Bleibt mir eh nichts anderes übrig. Wird schon nichts schiefgehen. Und wer hat schon etwas zu verbergen? Ehrlich gesagt: ich schon – das nennt sich Privatsphäre. Ja, ich weiß, das klingt jetzt „very 80s“. Aber lassen Sie uns doch mal im Sinne von „The Circle“ nur ein kleines Stück weiterdenken …

Es ist nachgewiesen, dass wir Menschen unser Verhalten ändern, wenn wir uns transparent, beobachtet fühlen – ob wir es nun tatsächlich sind oder nicht. Wir werden oberflächlicher, angepasster, langweiliger. Persönlichkeit braucht Privatsphäre. Nur so können Individualität und Kreativität entstehen. Darüber hinaus ist so eine Einstellung selbst in einer Demokratie wie der unseren ziemlich blauäugig, denn auch politische Rahmenbedingungen sind nicht selbstverständlich und für alle Zeiten stabil. Im Gegenteil gefährdet solch eine Geringschätzung individueller Freiheit auch die Demokratie selbst.

Wie wollen wir Privatsphäre in Zukunft definieren?

Doch was nun? Der Geist kann nicht zurück in die Flasche, und wir wollen den technologischen Fortschritt nicht aufhalten, ganz im Gegenteil. Also müssen wir uns die Frage stellen: Wie wollen wir Privatsphäre für die Zukunft definieren? Reicht unsere heutige Definition aus? Müssen wir sie erweitern, anpassen, modernisieren? Was wollen wir eigentlich erreichen? Und wie können wir das dann sicherstellen? Unsere Haltung dazu gibt die Richtung vor, mit welchen ethischen und moralischen Werten, in welcher Gesellschaft die nächsten Generationen leben werden.

In „The Circle“ stellt sich die Frage gar nicht mehr, weil das Konzept als solches abgeschafft ist. Auch eine Lösung …