Salons

Der Utopische Salon IM JUNI 2021

Im Juni hatten wir wieder sehr spannende Gäste zum Thema …

Schule und Bildung für die Zukunft (3)

Am 14.06. gab es einen spannenden Impulsvortrag von Mirjam Pütz und Daniela Kaiser zu ihrer Initiative „Rebels League“ (https://rebels-league.de) mit sehr angeregter anschließender Diskussion. Ihre Vision: „Wir wollen mit der Rebels League eine neue Art von Bildungssystem in Deutschland aufbauen und dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ab einem Alter von 10 Jahren dabei unterstützt werden, ihre Zukunft aktiv zu gestalten.“ Die Rebels League sieht sich dabei nicht als Konkurrenz zum bestehenden Bildungssystem, sondern ganz im Gegenteil als eine Ergänzung zu den weiterführenden Schulen. Über kindgerechte Methodenvermittlung werden gemeinsam Lösungsansätze für globale Probleme erarbeitet, abgeleitet aus den UN Sustainable Development Goals (z.B. Mobilität 2030/35, Vermeidung von Plastikmüll). So werden spielerisch die Kompetenzen für die Zukunft vermittelt und eingeübt. Neben Design Thinking, Kundenbefragungen und Prototyping gehören auch Persönlichkeits-Coachings dazu. Es entstehen Netzwerke und Freundschaften für’s Leben. Ein wesentliches Ziel ist es, auf diese Weise Mut, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit zu stärken. Dabei gibt es unterschiedliche Formate und Angebote in Frankfurt und Raum Rhein/Main vom 5-Tages Rebels Camp über den Nachmittags-Club einmal die Woche bis hin zu Angeboten für Schulen und Vereine. Damit steht das Angebot durchaus in Konkurrenz zu individuellen Aktivitäten wie Klavier, Sport oder Chillen. Daher sind auch besonders die Eltern gefragt, sich einzubringen. Coaches und Betreuer:innen rekrutieren sich v.a. aus dem Netzwerk (z.B. Lehramtsstudierende). Damit das Angebot nicht nur für finanziell bessergestellte Familien des Bildungsbürgertums anspricht, wurde ein Verein gegründet mit dem Ziel, etwa 15-20% der Teilnehmer durch Stipendien zu fördern. In unserer Diskussion wurde mehrfach betont, dass gerade die Nachmittagsbetreuung Lehrer:innen oft vor ein großes Problem stellt, und dass ein qualitativ hochwertiges Angebot wie z.B. Methodentage, Projektwochen u.ä. sehr erwünscht sei. In diesem Zusammenhang überlegten wir gemeinsam, wie das Rebels League Angebot weiter ausgerollt werden könnte, z.B. durch Vorstellung bei der Schulleiterversammlung in Frankfurt und bei Unternehmen, letzteres auch, um das Stipendienangebot durch den Verein finanziell auszuweiten. Hier geht’s zur Präsentation: Rebels League Intro

Am 28.06. ging es dann weiter mit dem Impulsvortrag von Herrn Dr. Jens Feld (Direktor) und Herrn Michael Reuter (stv. Leiter) vom Privaten Gymnasium Oranien-Campus Altendiez. „Wir nehmen als Privatschule Aufgaben wahr, die staatliche Schulen so nicht kennen, wie beispielsweise die Personaleinstellung vor Ort und die gesamte Verwaltung der Sachkosten. Bei einem staatlichen Gymnasium würde dies durch die Kreisverwaltung und das Schulsekretariat organisiert werden. Bei uns findet dies alles im Haus statt. Dies erlaubt schnelle Entscheidungen, die präzise umgesetzt werden.“ – so präsentiert sich das Private Gymnasium Oranien-Campus Altendiez auf seiner Website. Auch die Aussagen im Vortrag waren klar und deutlich, wie z.B. „Schule muss in der Schule stattfinden“, d.h. kein Aufholen durch Nachhilfe und „Hausaufgaben sind ein pädagogisches Übel“, da sie zu sozialer Ausdifferenzierung führten. Herr Feld und Herr Reuter berichteten auch über die Gründung der Schule in Rheinland-Pfalz: die ersten drei Jahre gab es kein Geld von staatlicher Seite, die Finanzierung lief komplett über die Eltern, erst danach wird das pädagogische Personal vom Land bezahlt. Für den Umbau des Schulgebäudes gab es ein Drittel als Zuschuss. Der laufende Anteil der Eltern umfasst Ausstattung wie Laptop und Bücher, verpflichtende Schulkleidung sowie die Essensverpflegung. Die Schule ist genossenschaftlich organisiert. Eine besondere Herausforderung sei es gewesen, eine Bank zu finden, die „Privatschule“ versteht und vorfinanziert, auf regionaler Ebene sei dies nicht gelungen. 2013 wurde zum Einstieg ein Achtjahresplan bis zum Abitur erstellt, danach sei die Schule ein stabiles System und somit leichter planbar. Den größten Teil machten die Personalkosten aus. Die Leiter der einzelnen Stufen hätten eigene Budgets, die Schule schreibe inzwischen schwarze Zahlen. Ob man ähnlicher Ansätze auch an einer staatlichen Schule umsetzen könne, wurde bezweifelt, da die Systemstabilität doch erheblich sei. Es seien schon viele Idealisten mit guten Ideen an der Realität gescheitert. Auch in Altendiez sei eine fitte Schulleitung entscheidend, es gehe nicht um Basisdemokratie, vielmehr sei die Konferenzkultur der Schlüssel zum Erfolg. Entscheidend sei es auch anzuerkennen, dass die Kinder ihre Entwicklung in verschiedenen Phasen durchmachten und die entsprechenden Angebote brauchen, um ihre eigene Persönlichkeit entwickeln zu können. Betreuung allein reiche nicht aus. Das Kollegium bestehe nicht nur aus Lehrkräften, sondern auch aus Kollegen mit entsprechender Fachexpertise, aber ohne klassischen Lehramtsweg, wie z.B. Diplom-Sportlehrern und Erlebnispädagogen. Gerade der nicht-benotete Bereich des Ganztagesprogramms werde durch diese Fachexperten betreut wie z.B. ein Campuszoo, der vom Personal versorgt werde, nicht von den Kindern selbst, Mountainbike-Workshops, das grüne Klassenzimmer u.v.a.m. mit einem Betreuungsschlüssel von 8-10 Kindern pro Gruppe. Oder wie eine finnische Schulleiterkollegin es auf den Punkt brachte: „if you only work, you stop learning“. Das koreanische Prinzip sei völlig verfehlt. Es gehe insbesondere darum, Leben und Lernen in Einklang zu bringen, dazu gehöre z.B. auch ein freundlicher, höflicher Umgang miteinander als wichtige Kompetenz. Noten bzw. Kollegstufenpunkte gebe es in allen Fächern mit Lehrplänen: „je mehr Noten, desto besser“, um Tagesformschwankungen auszugleichen. Unsere Frage, ob der Campus-Ansatz nicht doch sehr ein homogenes Milieu von Bildungsbürger- und Führungskräftekindern fördere, wurde deutlich verneint. Der Campus Altendiez wolle gezielt die Rahmenbedingungen schaffen, um Chancengleichheit zu ermöglichen. Allerdings könnten Schulen diesen gesellschaftlichen Wandel nicht alleine auf den Weg bringen, die Dynamik müsse gesellschaftlich und durch die Politik gewollt sein. Die Schüler des Campus hätten heterogene Hintergründe, es gebe z.B. ein Stipendienprogramm für Flüchtlingskinder. Allerdings werde von allen Schülern inkl. Stipendiaten ein entsprechendes, mit den Werten der Schule kompatibles Verhalten erwartet. Und auch nicht jeder Absolvent wolle anschließend studieren. Handwerk, Ausbildung, Fachkräfte und regionale Identität spielten eine große und gleichberechtigte Rolle. Um all dies zu erreichen, brauche es eine Rhythmisierung des Ganztagesschulbetriebs und eine Erhöhung des Qualitätsanspruchs insgesamt. Dabei sei die Autonomie der Schule, auch im Hinblick auf die Finanzen entscheidend: man müsse den Aufwand pro Schüler rechnen für alle Funktionen des pädagogischen und des Verwaltungsapparats. Der Föderalismus sei dabei nicht immer hilfreich, angefangen von der Vielzahl der Lehrbücher pro Bundesland bis hin zu den Ministern, die häufig nicht fachkompetent seien und sich mindestens von Praktikern beraten lassen sollten. Auch Eltern seien ein besonders Thema. Eltern, die sich primär als „Freunde ihrer Kinder“ sehen, begingen einen Grundfehler, denn von Freunden könne man sich trennen, von den Eltern nicht. Abschließend wurde auch in diesem Kreis betont, dass die Hattie-Studie immer noch die umfassendste und beste Untersuchung zu Schule und Bildung sei, Pisa wurde hingegen als nicht sonderlich tauglich eingeschätzt.

Der Utopische Salon IM MÄRZ 2021

Im März haben wir Bildungsexperten eingeladen, um weiter zu diskutieren über …

Schule und Bildung für die Zukunft (2)

Am 01.03.2021 haben wir am Beispiel von Reformschulkonzepten wie Montessori und Waldorf diskutiert, wie es gelingt, natürliche Neugier und Lernbegeisterung, Resilienz, Flexibilität, zwischenmenschliche Fähigkeiten und soziale Verantwortung in der Schule zu fördern und nicht auszubremsen. Der Schulleiter einer Montessori-Schule teilte seine Einblicke aus der Praxis mit uns und die Erkenntnisse, die sich aus seiner Sicht daraus ergeben. Kinder lieben es, „zu können“. Können und Bildung sind viel mehr als eine Ausbildung, die auf eine Aufgabe, einen Jobprofil, einen aktuellen Bedarf ausgerichtet ist. Und Wissen ist mehr als Information – nämlich die Grundlage dafür, Informationen überhaupt erst richtig einsortieren und bewerten zu können, so neues Wissen zu gewinnen und die bestehende Basis ständig anzupassen, zu verbreitern und zu vertiefen. Damit macht eine solche Wissensbasis lebenslanges Lernen erst möglich. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist in der Lehrperson selbst begründet. John Hattie weist in seiner Metastudie (Visible Learning, 2009) darauf hin, wie stark sich Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit und Haltung auf den Lernerfolg auswirken. Ebenfalls wichtig ist der Bezug der Lerninhalte zur Realität des Lernenden – dies gelingt in der Regel besonders gut durch fächerübergreifendes, interdisziplinäres Lernen. Permanenter Leistungsdruck in Form von Noten, der die Selbsteinschätzung der Schüler dämpft, ist dagegen stark kontraproduktiv. Montessori kommt daher auch ohne Zensuren aus, sondern dokumentiert vielmehr den individuellen Entwicklungs- und Lernprozess inkl. Sozial- und Arbeitsverhalten. Montessori-Schüler legen ihre Abschlüsse als externe Prüflinge an staatlichen Schulen ab und erhalten dann ein anerkanntes Zeugnis, das sich in keiner Weise von dem Abschluss an der Regelschule unterscheidet.

Also Noten während der Schulzeit am besten komplett abschaffen? Aber ist das dann fairer? Und ist der Abschied vom Leistungsgedanken vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von Wirtschaft, Gesellschaft und Schule nicht doch ziemlich utopisch? Ist dies nicht die Freiheit derer, die es sich leisten können – und damit zutiefst ungerecht? Ist nicht auch lebenslanges Lernen ein Luxus, den sich heute gar nicht alle leisten können? Und wie könnte eine Gesellschaft überhaupt den Übergang in solch ein Zielbild gut bewältigen? Das haben wir am 15.03. weiter diskutiert, dieses Mal mit Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands.

Das Regelschulsystem leidet zur Zeit sehr stark unter der Corona-Situation. Corona ist wieder einmal das Brennglas und zeigt, dass Krisenmanagement im Föderalmodus nicht funktioniert. Die Lehrer/innen haben digitalisiert, nicht die Politik, nicht die Kultusminister, nicht der Digitalpakt. Nur eine Grundgesetzänderung könnte zu eindeutigeren Entscheidungsstrukturen in der Krise führen, z.B. bzgl. des Gesundheitsschutzes an Schulen und der Aufarbeitung der Kollateralschäden. Die Länder bekommen vieles nicht gut hin. So führt das Einstimmigkeitsprinzip der Kultusministerkonferenz dazu, dass regelmäßig nur der kleinste gemeinsame Nenner beschlossen wird, was z.B. die starken Leistungsunterschiede zwischen den Bundesländern zementiert. Genauere Planung wird die Probleme beim „Schweinezyklus“ der Lehrer auch nicht ändern, sondern nur eine höhere Flexibilität, mehr Durchlässigkeit zwischen den Ländern und der Wille, nicht „auf Kante zu nähen“. Ist also der Bildungsföderalismus gescheitert? Kann es der Bund besser? Oder müssten nicht vielmehr Entscheidungen da fallen, wo sie ausgebadet werden müssen? Ein Teilnehmer unserer Runde zog den Vergleich zum Gesundheitsföderalismus und stellte die Frage, ob wir generell ausreichend in unser Gemeinwesen investieren und wo die Vision sei: „Wo wollen wir eigentlich hin als Staat, als Gesellschaft? Welche Menschen sollen die Schule verlassen“? Mehr als um schnelllebiges Fachwissen geht es unserer Meinung nach darum, mündige Bürger mit Haltung und Verantwortungsbereitschaft hinaus ins Leben zu schicken. Der „Akademisierungswahn“ vernachlässigt die berufliche und verflacht die akademische Bildung. Das gut funktionierende duale System hat Deutschland viel Anerkennung weltweit gebracht und bisher die Jugendarbeitslosigkeit gering gehalten. Aber was geschieht, wenn Bildungs- und Beschäftigungssystem nicht mehr zusammenpassen (vgl. Julian Nida-Rümelin)? Wir haben eben nicht nur ein Investitions- sonder auch ein Strukturproblem. Zu Noten gibt es berechtigte Skepsis: Noten machen nur Sinn, wenn sie erklärt werden und wenn sie etwas mit Verbesserungspotenzial zu tun haben. Und Noten sind nicht alles, die Lehrperson muss ein Gespür für Fortschritte haben. Aber sie geben Abschlüssen eine gewisse Objektivität und Vergleichbarkeit. Unternehmen können mit Verbalbeurteilungen wenig anfangen, und die Gefahr ist groß, dass dann Beziehungen und andere Privilegien wie z.B. Auslandspraktika den Ausschlag geben.

Oft wird gefordert, Schule solle einem Werteverlust in der Gesellschaft entgegenwirken. Aber vielleicht muss man die Frage anders stellen: wie kann Schule mit der Dynamik der Gesellschaft Schritt halten, auch mit einem Wertewandel? Oder noch spitzer gefragt: verwalten wir nicht ein altes System? Muss sich Schule nicht noch viel stärker der Gesellschaft anpassen? Genau genommen: welcher Gesellschaft? Die Antwort „Wertekonsens“ ist heute sehr viel komplexer als vor 20 oder 30 Jahren. Kinder sind nach wie vor keine kleinen Erwachsenen, sondern brauchen Menschen, die ihnen dabei helfen, sich ihrer Begabungen und Potenziale bewusst zu werden und positive Verstärkung zu geben. Eine Bemerkung am Rande: punktuelle kommerzielle Berufsfindungsangebote lägen manchmal grotesk daneben, wie einer unserer Mitdiskutanten amüsiert aus eigener Erfahrung berichtete, Lehrer/innen kennen ihre Schützlinge doch sehr viel länger und besser. Ein Teilnehmer stellte aus seiner eigenen Coaching-Erfahrung fest, dass viele junge Menschen, auch Bachelor-Studenten wenig Selbstvertrauen mitbringen und nicht gelernt hätten, auch mit Rückschlägen und Misserfolgen umzugehen. Er stellt bei seinen Coachees eine große Verunsicherung fest, viele würden nach dem Abitur völlig untergehen. Es geht in seiner Praxis oft darum, ein kindliches Urvertrauen ins sich selbst, ein „ich kann das schaffen“, wieder herzustellen. Eine andere Mitdiskutantin konkretisierte das Problem der gesellschaftlichen Blasen, die bestimmte Berufswege schon vorzeichnen und andere ausschließen. Sie kennt aus ihrem eigenen – akademisch geprägten – Umfeld einige Kolleg/innen, die nach jetzt Studienabbruch mit einer Ausbildung viel glücklicher seien, obwohl das ursprünglich keine Option schien. Glücklicherweise, so der Konsens, ist das Privatschulwesen in Deutschland (noch?) nicht so ausgeprägt und elitär wie im angelsächsischen Raum. Das Bildungssystem alleine kann zwar keine gerechte Gesellschaft schaffen, aber es kann dazu beitragen, die Blasen nicht immer weiter auseinander driften zu lassen. Dazu gehört es, sich intensiv um die Schwächeren zu kümmern, z.B. mit Sprachtests und Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund, möglichst bereits vor Schulbeginn.

Zurück zum gesellschaftlichen Konsens: gibt es den denn überhaupt noch? Werte wie Humanität, Respekt vor dem anderen, Schwächeren helfen, Teamgeist, auf Natur und Umwelt achten und einiges mehr lassen sich Kulturen-übergreifend vermitteln. Entscheidend dabei sind die Lehrkräfte und ihre eigene Haltung – die Lehrperson als Vorbild. Dieser hohe Stellenwert des Lehrerberufs ist es, der derzeit noch nicht oder nicht mehr (?) klar genug artikuliert und von allen Beteiligten gelebt wird. Wir brauchen engagierte, selbstbewusste Lehrkräfte mit Herzblut und Liebe zu den Menschen – es liegt an uns, dies zuzulassen.

„Ihr müßt die Menschen lieben, wenn ihr sie ändern wollt. Euer Einfluss reicht nur so weit wie eure Liebe“ – Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827), Schweizer Pädagoge

Der Utopische Salon im SOMMER/HERBST 2020 – MEHRFACH und BAW virtuell

In verschiedenen Konstellationen haben wir im Sommer und Herbst letztes Jahr ein Dauerbrenner-Thema diskutiert

Schule und Bildung für die Zukunft (1)

  • Wie kann Schule auf eine Welt vorbereiten, die wir heute in Teilen nur ahnen?
  • Wie kann Schule lehren zu denken und zu lernen? Wie macht Schule Lust auf lebenslanges Lernen?
  • Wie gelingt Chancengleichheit? Wie Integration?
  • Was klappt derzeit gut in unseren Schulen, was nicht?
  • Wo und wie muss sich unser Schulsystem weiterentwickeln?
  • Inwieweit und wie kann Schule die Eltern konstruktiv einbeziehen?
  • Wie kann man die Lehrer/innen dafür begeistern?

Eine erste Bestandsaufnahme in unserer Runde brachte folgende Thesen:

Digitalisierung könnte eine Chance sein für einen altersgerechten spielerischen Lernansatz unter Einsatz von Lernassistenten, Bild- und Spracherkennung und Neugier wecken zum eigenen Erforschen im mathematisch-technischen Bereich, aber auch im Kontext gesellschaftlicher Themen und künstlerischem Gestalten. Dafür gibt es tolle Beispiele. Natürlich braucht es gute pädagogische Konzepte, aber oft scheitert es schon an den Basics wie Infrastruktur, Geräte oder WLAN in den Schulen. Dazu kommt ein sehr hohes Problembewusstsein beim Datenschutz, die Daten sind ja „irgendwo“ gespeichert und könnten „irgendwie“ genutzt (missbraucht?) werden. Und natürlich ist auch Team Building online schwieriger. Aber: diese Herausforderungen sind keine unüberwindlichen Hürden und mit Geduld und gutem Willen aller Beteiligten lösbar – nicht sofort perfekt, aber auch das ist kein Grund aufzugeben. Warum also drehen wir uns im Kreis? Vielleicht liegt der Kern des Ganzen ja doch tiefer, und Corona ist wieder nur einmal das Brennglas auf eine Entwicklung, die schon seit längerem schwelt – einige Symptome:

  • Soziale Milieus in unserer Gesellschaft driften zunehmend auseinander. Auch Schule ist nicht mehr der Katalysator für gesellschaftlichen Aufstieg wie noch vor einer Generation, sondern verfestigt oft soziale Unterschiede, die so in die nächste Generation weitergegeben werden
  • Lehrer/innen, die ja ihren Beruf aus Überzeugung und mit großem Enthusiasmus ergreifen, fühlen sich im Berufsalltag oft desillusioniert, überfordert und ausgebremst
  • Manche Eltern (oft aus dem „Bildungsbürgertum“), wollen ihren Kindern gerne einen beschleunigten Raketenstart ins Leben mitgeben und setzen dafür alle Hebel in Bewegung – und die Lehrer/innen weiter unter Druck

Im Laufe der Diskussion haben wir unterschiedliche Ansätze gestreift:

  • Warum tut sich die Politik so schwer mit einer langfristigen, nachhaltigen Schul-/Bildungspolitik? Warum glauben wir als Gesellschaft, dass wir hier sparen können? Müssten nicht gerade jetzt massive Investitionen in die Zukunft, sprich in Bildung und Ausbildung gehen?
  • Schule soll Wissen, Kompetenzen und Bildung vermitteln – aber zunehmend auch gesellschaftliche Integration und ein besseres Miteinander sicherstellen. Wie kann das gelingen?
  • Sollten wir als engagierte Bürger die Sache selber in die Hand nehmen und „die bessere Schule“ gründen? Es entstehen ja zunehmend solche private Initiativen. Aber vergrößert das die Ungleichheiten nicht eher noch? Und wie hilft man v.a. sozial benachteiligten Kindern?
  • Muss man das Rad wirklich neu erfinden – oder gibt es nicht viele gute Ansätze, und was kann man von bewährten Reformschulbewegungen wie z.B. Montessori lernen?
  • Können wir von anderen Ländern lernen? Gibt es Vorbilder und was macht man dort anders?
  • Helfen Coaching-Angebote für Lehrer/innen? Oder doch eher für die Eltern?
  • Hat eigentlich schon jemand mal die Kinder gefragt?

Wir sind überzeugt: der Wohlstand und die Zukunft unserer Gesellschaft hängen davon ab, dass wir Bildung und Integration gut hinbekommen. Daher werden wir uns im Utopischen Salon noch weiter damit auseinandersetzen. Im nächsten Schritt laden wir engagierte Expert/innen in unsere Diskussion ein, um einige Schlüsselaspekte näher zu beleuchten. Mehr dazu in Kürze an dieser Stelle.

„Wenn Menschen zusammenkommen, dann kann man mit Wundern rechnen“ – Hanna Arendt

Der Utopische Salon im Juni 2020 – nochmal virtuell …

… und nochmal Corona – dieses Mal mit der Münchner Gruppe:

Corona: Wege aus der Krise

Über Wege aus der Krise wird derzeit viel diskutiert, aber die Zielbilder gehen deutlich auseinander. Während die einen Corona möglichst schnell vergessen und zum Status quo ante übergehen wollen oder ihn sich zumindest sehnlichst zurückwünschen, finden andere den Mut, bisher Selbstverständliches zu hinterfragen und Projekte zu beenden, in denen sie keinen Sinn mehr sehen.

Die Corona-App war hierzulande zwar eine ziemlich schwere Geburt, aber die Digitalisierung der Arbeitswelt und der Kommunikation hat definitiv einen großen Schub bekommen. Unsere Regierung hat sich als durchaus handlungsfähig erwiesen, wenn auch mit einem relativ wenig ausgeprägten Interesse an langfristigen Strategien (das mag der akuten Krisensituation geschuldet sein). Im Mobilitätsverhalten, in der Produktion und im Gesundheitssektor zeichnen sich Veränderungen ab. Überall bekommt ein neues Zielbild langsam Konturen, ein paar Beispiele: die Fluggesellschaften werden neue Geschäftsmodelle brauchen, wenn die Kunden ihre Business-Flüge einschränken und mit Tickets kein Geld mehr zu verdienen ist. Im Energiesektor waren wir uns in der Diskussion im Salon noch nicht sicher, in welche Richtung die Entwicklung weitergehen wird, und ob der Ausbau dezentraler, erneuerbarer Energie durch Corona überhaupt signifikant beeinflusst wird. Auf die Entwicklung unserer Städte sehen wir dagegen durchaus einen Einfluss: wenn Bürotürme in diesem Ausmaß nicht mehr gebraucht werden, kann man dafür auch attraktive Wohnflächen schaffen und neue Formen des Zusammenlebens und -arbeitens fördern. Es wird auch weiterhin Qualitätsjournalismus geben, aber der klassische Recherche-Journalismus wird in der Breite mehr und mehr von Podcasts und anderen digitalen Formaten abgelöst. Das hängt auch mit den Marketing-Budgets ab und wohin sie fließen. Und natürlich ist unsere Welt auch weiterhin eine globalisierte. Dazu braucht es Rechtssicherheit im mulitlateralen Umgang miteinander und Souveränität (oder gar Dominanz?). China ist jedenfalls – trotz Corona – derzeit der einzige Player, der es (sich) leisten kann, hier den Ton anzugeben.

Sind wir bereit für diese schöne neue Welt? Unser Problem ist – leider immer noch – das nahezu vollständige Ignorieren von Komplexitäten. Wir haben jahrelang immer mehr Dämpfung aus den Systemen entfernt, weil wir glaubten, damit einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Das hat die Sensitivität des Systems in alle Richtungen erhöht. Biologische Systeme sind zwar wesentlich komplexer, aber eben gedämpft, im (Fließ-)Gleichgewicht, es gibt Regelkreise, die immer auf einen Sollwert abzielen. Und für den Notfall existieren Systeme, die den Regelbetrieb overrulen können. Es geht um Resilienz, nicht in erster Linie um Effizienz. Unsere High Speed-Modelle können nur Millisekunden in die Zukunft projizieren. Wir müssen uns unserer Limitationen stärker bewusst werden, die „First Principles“ nicht ignorieren.

Dabei täte es uns sogar gut, mehr Komplexität zuzulassen – bei weniger Angst, die Kontrolle zu verlieren. Es ist ein wenig wie bei Schach (wenigstens einen Zug voraus sein) vs. Go (starke, resiliente Konstellation bauen) – eine Schlacht schlagen oder den Krieg gewinnen? Anderes Beispiel: wenn A richtig liegt und B anders, dann ist B falsch, entweder „ein Feind“, „ungläubig“ oder „strohdumm“ – das ist anti-Kollaboration. Das dialektische Prinzip formt aus These und Antithese eine neue, bessere Synthese. In Martial Arts wird durch den Angriff gelehrt und gelernt, wie man sich in seiner Defensive verbessert. Doch wer in der Politik kann oder will sich diesen Luxus leisten, in einem Umfeld, in dem immer Kampfmodus herrscht und kaum Zeit und Möglichkeit zum Reflektieren und Adaptieren ist, wo es v.a. darum geht, keinen Angriffspunkt zu bieten?

Wir schlagen vor, z.B. in Talkshows, Diskussionsrunden, Blogs und anderen Onlineformaten Menschen eine Bühne zu geben, die positive Vorbilder sein können – auch, um so die Spielregeln neu zu setzen. Spielregeln, die Nachdenken, Ausprobieren und Lernen in immer wieder neuen Situationen ermöglichen statt beim geringsten Angriffspunkt rückwärts gewandt immer nur den „Schuldigen“ finden zu wollen. Für solchen Unsinn haben wir nämlich keine Zeit.

„I don’t know what’s the matter with people: they don’t learn by understanding; they learn by some other way – by rote or something. Their knowledge is so fragile“ – Richard Feynman

Der Utopische Salon im April 2020 – diesmal virtuell

Auch im Utopischen Salon können – und wollen – wir uns dem „C-Thema“ nicht entziehen. Daher haben wir uns per Videokonferenz mit unterschiedlichen Szenarien auseinandergesetzt:

Wie sich die Welt durch Corona verändert und welche Weichen jetzt gestellt werden müssen

Henrik Müller spricht in seinem Buch „Kurzschlusspolitik: Wie permanente Empörung unsere Demokratie zerstört“ (zwar im Zusammenhang mit dem Klimawandel) von „Dirty Nationalists“ und „Shiny Happy People“. Das sind zwei der Szenarien, die sich auf die aktuelle Corona-Diskussion übertragen lassen: während für die einen die Globalisierung schuld ist an allem Übel und sie deshalb so schnell und weit wie irgend möglich zurückdrehen wollen, freuen sich andere, dass die Menschheit jetzt endlich die nächste Stufe der Evolution nimmt und wahrhaftig zum besseren Wesen wird, eben zum „Homo sapiens“. Beides ist Quatsch.

Tatsache ist allerdings, dass sich unser Leben durch Corona gerade massiv verändert. Einiges davon wird bleiben und Entwicklungen beschleunigen, die bereits vorher (teilweise noch zaghaft) begannen. Das geht vom sprichwörtlichen „Tritt in den Hintern“ für die Digitalisierung über den Ersatz von Geschäftsreisen durch Videokonferenzen bis hin zu einer neuen Teamdynamik und einem anderem Führungsverständnis aus dem Home Office – ein erzwungener Proof of Concept für die oft zitierte „neue Normalität“. Natürlich hat der „Chef als Eselstreiber“ schon lange ausgedient (guter Führungsstil war das noch nie …), aber jetzt zeigt sich der Unterschied umso deutlicher: wer ist Vorbild fürs Team und kann Orientierung geben? Und wer hat es verpasst, diese Glaubwürdigkeit aufzubauen, weil er/sie als Chef selbst unsicher ist und versucht, mit Micromanagement zu kompensieren? Und während große Innovationsprojekte aus Liquiditätsgründen auf Eis gelegt werden, sind viele kleine Erleichterungen plötzlich pragmatisch machbar und akzeptiert, von Home Office mit Videokonferenzen bis zu elektronischen Verträgen. Das ist nicht zurückzudrehen.

Aber natürlich ist die Frage berechtigt, warum wir so verwundbar sind, was globale Lieferketten betrifft. Nicht nur Industriekonzerne, selbst Finanzinstitute prüfen die Zuverlässigkeit ihrer Lieferanten. Ist tatsächlich die Globalisierung schuld? Oder ist es nicht eher eine zu weitgehende Zentralisierung, quasi das Diktat des Skaleneffekts zur maximalen Kosteneffizienz – teuer erkauft, wie wir jetzt merken, um den Preis der Resilienz? Globalisierung ginge durchaus auch in dezentralen Strukturen („think global, act local“), und dezentral organisierte Systeme sind deutlich robuster. Das ist natürlich ein extrem teures Szenario – also Luxus? Teuer zumindest, solange wir fortfahren, einige der Produktionskosten zu sozialisieren (Stichwort Infrastruktur, Umwelteinflüsse, Entsorgung etc.). Erst, wenn wir es schaffen, das ändern und zu einer signifikanten Kreislaufwirtschaft kommen, kann sich die Kostenfrage anders darstellen. Was wir aber mindestens brauchen, ist die aktuell für viele Unternehmen regulatorisch vorgeschriebene K-Fall Vorsorge (Business Continuity Management) auf einer anderen Ebene (Produkt/Branche) zu etablieren, zumindest für die kritischen Bereiche der Versorgung (um das abgenutzte Wort „systemrelevant“ zu vermeiden). Die Modelle dazu sind ja aus der IT längst bekannt (Cold-/Hot-Standby, Load Balancing etc.). Die Frage ist nur, wie man eine solche Vorgabe Regionen-/Länder-/Block-übergreifend umsetzen kann.

Braucht es dafür mehr Regulierung, sogar überstaatliche Regulierung? Natürlich werden wir an der einen oder anderen Stelle auch regulatorische Vorgaben brauchen, „der Markt“ alleine hat noch nie alles vernünftig geregelt. Problem ist, dass uns für solche (notwendigerweise) globalen Vorgaben die Strukturen fehlen, die diese Regularien vorgeben und durchsetzen. Hierzu müssten entweder vorhandene Strunkturen (UN) deutlich gestärkt oder neue Strukturen geschaffen werden. Ohne das werden wir in der (den Finanzdienstleistern bekannten) Situation der Regulierungsarbitrage landen, was der Umsetzung der gewünschten Ziele und Maßnahmen schon immer ein Stück weit entgegen stand.

Und wer bezahlt für diesen vermeintlichen Luxus? Die Unternehmen, die Verbraucher, die Bürger, der Staat? Für die Grundversorgung aller Bürger (zumal für die medizinische!) ist der Staat in der Verantwortung und damit die Steuerzahler. Und wie ist das für Unternehmen, die „too big to fail“ sind? Wer entscheidet, ob ein Unternehmen, eine Branche noch wettbewerbsfähig ist und damit wert, gerettet zu werden – oder schon ein „Zombie“, Corona hin oder her? Das kann – bis auf die genannten Ausnahmen – letztendlich nur der Markt entscheiden. Diese Fragen haben wir ausführlich und differenziert diskutiert. Einen unkonditionierten staatlichen Bail-out von Unternehmen über die Argumentation, die Arbeitsplätze um jeden Preis zu erhalten, sehen wir in Summe eher kritisch. Um zwei Beispiele zu nennen: die Commerzbank-Rettung war an Bedingungen geknüpft und auch die Austrian erhält Staatshilfen nur mit Umweltauflagen. Ein staatlicher Bail-out ist außerdem ein Bias zugunsten existierender Unternehmen gegenüber neuen. Und bei Zombies sollten wir ohnehin eher über einen Bail-out für die Mitarbeiter nachdenken (also so etwas wie ein „Grundeinkommen auf Zeit“) als krampfhaft Arbeitsplätze zu erhalten, für die es ohnehin keine Zukunft gibt – zumal bei weitem nicht jeder Arbeitsplatz in einem „too-big-to-fail-Unternehmen“ produktiv ist und zur Wertschöpfung beiträgt.

Krisen können auch Wachstumsbeschleuniger sein – nutzen wir diese Chance und denken wir wirklich neu nach oder wollen wir im Grunde nur den Status quo ante wiederherstellen? Ist Covid-19 ein Disruptor, ein Beschleuniger oder nur eine Phase, die wir möglichst schnell vergessen, um wieder zum Alltag überzugehen? Gehen wir nachhaltig besser mit unseren Ressourcen und unserer Umwelt um? Entstehen wirklich neue Geschäftsmodelle und kleine Unternehmen durch die Krise? Oder führt sie nicht sogar schneller zu einer Oligopolisierung, spielt sie nicht gerade den ganz Großen, den Tech Giganten in die Hände? Und was bedeutet das für Europa – ist unser Zug nicht doch schon längst abgefahren? Wenn wir hier in Europa nur versuchen, die Geschäftsmodelle nachzubauen, die in den USA und China bereits groß und etabliert sind, wird es eng werden, ja … So etwas wie eine Corona Tracing-App wäre jetzt zumindest mal ein Test, ob wir in Europa einen „dritten Weg“ hinbekommen. Ah ja, und da ist noch etwas – der Elefant im Raum: wir sollten dringend jetzt anfangen, die europäische Idee wirklich ernst zu nehmen und europäische Solidarität zu leben – sonst ist es tatsächlich bald zu spät …

Und hier der Link zu unserem Whiteboard, auf dem wir ein paar Ideen und Ansatzpunkte unserer Diskussion festgehalten haben


Der Utopische Salon im Februar 2020 in München

Auch im ersten Utopischen Salon in München haben wir uns mit dem Thema „Europa“ auseinandergesetzt – die Kernfragen sind unter dem letzten Salon in Frankfurt zu finden (s. unten)

Verschläft Europa gerade die Zukunft?

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz dieses Wochenende war viel von „Westlessness“ die Rede, unser Thema also hochaktuell. Wie zu erwarten war, hatten wir demnach eine sehr engagierte Diskussion – rund um das Thema „Mut“, v.a. den Mut, Entscheidungen zu treffen.

Was uns beunruhigt, ist, dass wir zögerlich und etwas mutlos geworden sind in Europa, in Deutschland. Gibt es so etwas wie „kollektive Mutlosigkeit“ und wie überwinden wir sie? Wir sehen doch, dass dies kein Erfolgsrezept ist! Jetzt könnte man natürlich erst einmal darüber streiten, was Erfolg ist, das würde aber doch etwas vom eigentlichen Punkt ablenken. Wir betrachten im Allgemeinen diejenigen Organisationen als erfolgreicher als andere, die Innovationskraft haben und Wohlstand schaffen, die für etwas stehen, Positionen beziehen und diese auch kommunizieren und umsetzen können. Das braucht v.a. Menschen, die für etwas stehen, die sich exponieren und Visionen, Ideen umsetzen, auch gegen Widerstände. Klare Kante zeigen polarisiert immer, selbst dann noch – oder gerade dann – wenn sich der Erfolg einstellt. Mutig zu sein, Risiken zu nehmen, gehört zur Definition von Innovation und Unternehmertum.

Wie mutig können angestellte Topmanager und Politiker eigentlich noch sein? Warum gibt es so viel Absicherung an der Spitze von Unternehmen? Das mag aus persönlicher Sicht verständlich sein, behindert aber Fortschritt und Innovation. Auch die Presse spielt eine Rolle. Besonders kritisch sehen wir „Aufmerksamkeitsjournalismus“ statt gut recherchierter, faktenbasierter Berichterstattung. Aufmerksamkeit erzeugt man durch den Fokus auf Personen statt auf Fakten und ganz besonders durch skandalisierte Inhalte. Sind mutige Entscheidungen ein Privileg von eigentümergeführten Familienunternehmen geworden? Warum ringen Politiker hierzulande eher um die tägliche Lufthoheit als um Entwürfe für die Zukunft? Vielleicht erfinden wir auch deshalb immer mehr Prozesse und Vorschriften. Denn die kann man zunehmend maschinell entscheiden lassen und damit gefühlt das persönliche Risiko reduzieren. Weil wir angstvoll und entscheidungsschwach geworden sind, führen wir womöglich die kybernetische Gesellschaft durch die Hintertür ein, nicht demokratisch entschieden, sondern aus Mutlosigkeit.

Das ist jetzt nicht der Ruf nach dem sprichwörtlichen „starken Mann“ (auch nur ein Outsourcen von Verantwortung) – ganz im Gegenteil – sondern der Appell an den Mut jedes einzelnen, die individuelle Freiheit, die uns so wichtig ist, auch zu nutzen. Nicht: ich kann/wir können ja eh nichts ändern. Sondern: Ich tu es einfach, weil ich daran glaube. Und es anderen nicht schadet. Dafür gibt es Werte und Gesetze. Das setzt ein positives Menschenbild voraus, eines, das nicht auf totaler Transparenz basiert, sondern auf Vertrauen und Vertrauensvorschuss. Dieses Modell funktioniert gut, solange es diesen gesellschaftlichen Konsens gibt und Staat und Gesellschaft willens und in der Lage sind, Verstöße gegen geltendes Recht zu ahnden. Das ist eigentlich genau unser „westliches“ Menschenbild – eine unserer großen Stärken!

Dummerweise nur haben wir China viel zu lange nicht wirklich ernst genommen (verlängerte Werkbank, kopieren nur, wenig innovativ …), da wir implizit davon ausgegangen sind, dass technischer und gesellschaftlicher Fortschritt eine liberale Demokratie nach westlichem Vorbild voraussetzt. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die USA wollen führend bleiben („America first“), ziehen sich aber eher aus globaler Verantwortung zurück. Das wäre eine historische Chance für Europa – die wir allerdings bisher nicht wirklich wahrnehmen. China dagegen diffundiert weltweit in das entstehende Vakuum (s. z.B. Chinas Engagement in Afrika). Damit gewinnen auch chinesische Werte weltweit an Gewicht. Sie betonen das Wohl der Gemeinschaft, auch auf Kosten der individuellen Freiheit. Im Gegenteil: Transparenz wie z.B. Social Scoring hilft dem Individuum, sich gemeinwohlkonform zu verhalten. Vertrauen und Vertrauensvorschuss würden die Menschen eher zu Fehlverhalten verführen. Das ist jetzt nicht per se „richtig“ oder „falsch“, aber doch sehr fundamental anders als unser westliches Menschenbild. Es kann gut sein, dass auch wir uns eines Tages bewusst entscheiden müssen.

Was meinen wir überhaupt, wenn wir vom „Westen“ oder von Europa sprechen? Wirtschaftsraum und Wertegemeinschaft? Wir sind 500 Mio. Menschen in Europa, und Impulse des größten Binnenmarktes können international eigentlich nicht ignoriert werden. Dennoch glauben wir, dass wir zwischen USA und China unbedeutend sind und nichts zu melden haben. Als Europäer verpassen wir bis heute die Möglichkeit, in vielen Belangen mit geeinter Stimme zu sprechen oder überhaupt Präsenz zu zeigen. Das hat sicher mit der Geschichte und der Diversität Europas zu tun oder besser gesagt mit seiner Heterogenität und teils sogar Zerrissenheit. Können wir uns heute überhaupt noch auf einen gemeinsamen Nenner verständigen? Zu einer Zeit, in der Europa in wichtigen Fragen indifferent oder zerstritten ist und dann lieber erst einmal gar keine Entscheidung trifft? Sollte uns Europa überhaupt noch näher und wichtiger sein als der Rest der Welt oder ist das eine überholte Sicht, da wir sowieso weltweit vernetzt sind?  Und wenn doch, wer gehört dazu? Meinen wir hierzulande nicht eigentlich ziemlich oft Deutschland, wenn wir Europa sagen? Wie ist unser Verhältnis zu Russland, zu den USA, zu China? Und warum reagieren wir in Deutschland nicht mutiger auf Vorschläge z.B. aus Frankreich, die Europa stärken könnten?

Fazit: Um in Europa nicht ins Hintertreffen zu geraten, sollten wir uns mit geeinter Stimme und selbstbewusst Ziele stecken und diese auch tatsächlich umsetzen. Hierfür braucht es Vision und Mut. Den Mut, Entscheidungen zu treffen und sich dafür auch zu exponieren. Nicht gegen den Rest der Welt, sondern mit klugen Allianzen – das ist doch definitiv eine unserer Stärken!


Der Utopische Salon im Januar 2020 in Frankfurt

Verschläft Europa gerade die Zukunft?

Ein paar Fragen vorweg, die uns in diesem Zusammenhang beschäftigen:

  • China ist auf dem Weg zur neuen Tech-Weltmacht und will führend werden, die USA wollen führend bleiben – gerät Europa zwischen die Fronten?
  • Tun wir uns in Deutschland und in Europa schwerer mit neuen Technologien als andere?
  • Ist es tatsächlich so, dass bei uns öffentliche Debatten über neue Technologien meist zu deren Ablehnung führen?
  • Sind wir zu sehr auf Bewahren des Status quo und Risikovermeidung fixiert?
  • Sind die großen Zukunftsthemen (wie z.B. der Klimawandel) überhaupt nationalstaatlich lösbar? Wie könnten neue Allianzen und übergreifende Kooperationen aussehen?
  • Und wie immer die Kernfrage beim Utopischen Salon: wie sieht eine positive Zukunftsvision aus, welche Lösungen gibt es – und welche Entscheidungen müssen wir dafür heute treffen?

Die Frage, ob insbesondere Deutschland technologisch zurückfällt, müssen wir leider mit „ja“ beantworten – das überrascht nicht wirklich. Und dabei vergleichen wir uns bewusst nicht mit Ländern wie China oder Indien, in denen Technologie-Kompetenz der Weg zum gesellschaftlichen Aufstieg ist, Ausgangslage und Kontext sind ja völlig anders. Besser ist ein Vergleich innerhalb Europas und der Blick in Richtung Frankreich geeignet. In Frankreich scheint diesbezüglich derzeit einiges besser zu laufen. Es gibt so etwas wie einen „Masterplan“ inkl. eines anderen Planungsrechts für wichtige Vorhaben. Auch für Deutschland wünschen wir uns eine „große Agenda“ und eine klare Haltung der Politik, um die Umsetzung von Innovationen zu beschleunigen. Auf diese Agenda gehören Themen wie

  • Energiewende
  • Mobilität
  • Telekommunikation
  • Bildung
  • und das natürlich im europäischen Kontext

Das ist keine rein politische Agenda, sondern auch Thema der Wirtschaft. Aber der Staat setzt die Rahmenbedingungen und muss auch in die öffentliche Daseinsvorsorge investieren. Das setzt die entsprechende Kompetenz voraus bei den Leuten, die führen.

Bildung – und zwar in Tech, aber auch ganzheitlich humanistisch – halten wir für eines der zentralen Themen für unsere Zukunftsfähigkeit. Wie halten wir die Neugier wach, dass Menschen ihr Leben lang lernen wollen? Wie erreichen wir eine gewisse Reife des Selber-lernen-Wollens und -Könnens? Wie lernt man zu lernen? Nicht alle Experimente im Schulsystem der letzten Jahre in den 16 Bundesländern waren diesbezüglich zielführend, manche davon eher so konzipiert, dass sie vermeintliche kurzfristige Bedürfnisse der Wirtschaft erfüllen sollten.

Auch der europäische Kontext ist uns wichtig. Im Moment haben wir den Eindruck, dass die Marktmacht aus dem EU-Binnenmarkt nicht gehoben wird, da wir innerhalb Europas zu oft ein völlig unterschiedliches Lösungsverständnis haben. Wir sehen uns noch nicht wirklich als Einheit. Ohne echte europäische Antworten werden wir allerdings nicht bestehen können zwischen den USA einerseits und China andererseits. Die o.g. „große Agenda“ muss daher eine europäische sein, ein längerfristiger Plan (10+ Jahre) inkl. breit angelegter Kommunikation – wen kann man dafür gewinnen?

Wir wollen diesen Dialog fortsetzen – das nächste Mal idealerweise mit französischer Beteiligung!


Der Utopische Salon im Oktober 2019 in Frankfurt

Digitalisierung – gut oder schlecht für’s Klima?

Der globale Energiebedarf wird trotz Verhaltensänderungen und Energieeffizienz weiter zunehmen – und selbst dann, wenn wir uns von dem Credo verabschieden könnten, dass nur immerwährendes Wachstum Wohlstand und Lebensqualität garantiert. Verzicht ist tatsächlich ein Privileg, nämlich das der Eliten: „Seit der Dampfmaschine holen wir Kohle und Öl aus dem Boden, darauf basiert unsere ganze Wirtschaft und unser Wohlstand. Dann haben wir Orwell und Huxley komplett implementiert, rein aus Komfortgründen. Und jetzt wollen wir den Entwicklungsländern Verbote erteilen – das ist zynisch, das wird nicht funktionieren.“ Für den Weg aus dem Dilemma brauchen wir vor allem technische Lösungen wie umweltfreundliche, erneuerbare Energien und auch wie CO2-Scrubbing. Photovoltaik ist heute schon – global gesehen – die günstigste Form, Strom zu erzeugen. Leider ist in Deutschland und Europa derzeit eine gewisse Technikskepsis en vogue, die zumeist jedoch auf Unkenntnis und diffusen Ängsten beruht.

Das zweite Problem an der Diskussion ist, dass „gerechter Zorn“ nicht weiterhilft, sondern im Gegenteil die Gesellschaft spaltet. Wer die Zukunft zur knappen Ressource erklärt, braucht sich über Verteilungskämpfe nicht zu wundern. „Die Menschen stehen momentan auf Lügen und honorieren sie, weil die sich gut anfühlen“. „Sie haben Angst und fallen deshalb auf einfache Antworten herein“. Der Zeitgeist ist stärker von Egoismus und Nationalismus als von Vertrauen und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt. Und auch die Einstellung „Hauptsache, es wird etwas gemacht“, ist destruktiv, denn wir haben nur begrenzte Kapazität, etwas zu tun. Es ist fatal, das Falsche zu tun, und es ist ein Fehlglaube, dass alles reparierbar sei. Zur Lösung der Probleme bräuchten wir mehr Kooperation – auch auf globaler Ebene, nicht weniger. Etablierte Strukturen für globale Lösungen sind aber kaum vorhanden.

„Wir diskutieren den Einzelfall, aber negieren das Systemische“, „wir bewegen uns derzeit nicht auf etwas Stabiles zu“.

Beispiel Mobilität: In Deutschland sind wir komplett von der Autoindustrie abhängig. Wir sollten aber über autonomes Fahren sprechen, nicht über e-Mobilität. Das würde zu 70% weniger Autos führen. Die Automobilindustrie bräuchte komplett andere (politische) Rahmenbedingungen

Daraus ergeben sich ein paar Kernfragen für den nächsten Salon:

  • Was zeichnet resiliente Organisationen aus? Wie bauen wir schnell adaptive resiliente Systeme? 
  • Wie bekommen wir wieder Dämpfung ins System (langfristige vs. kurzfristige Entscheidungen, regionale Kreisläufe, Föderalismus, Mittelstand …)?
  • Wie stellen wir wieder Vertrauen her (in Institutionen, Geschäftspartner, Mitmenschen …)?

DER UTOPISCHE SALON IM Juni 2019 IN FRANKFURT

Der Utopische Salon und die Rolle der Politik – Teil 2: Was ist der europäische Weg?

Danke an Falk Ebert für die Zusammenfassung!

Der sechste Utopische Salon war ein besonderer. Wegen des inspirierenden und offenen Dialogs über Politik. Aber auch deshalb, weil wir nicht nur über Politik, sondern mit der Politik sprechen konnten: Wir hatten Peter Heidt (FDP) zu Gast, der in Kürze in den Bundestag einziehen wird. Vielen Dank für den Besuch und den konstruktiven Austausch!

Interessante Zeiten

Die Diskussion in der Gruppe war geprägt durch aktuelle Themen wie die Klimafrage und die Fridays for Future. Wir beobachten hier eine junge Generation, die sich unter Berufung auf wissenschaftlichen Konsens international vernetzt. Das ist politische Teilhabe in einer Form, die es bislang in diesem Ausmaß nicht gegeben hat.

Ein weiterer aktueller Impuls für die Runde war das Rezo-Video. Natürlich konnten nicht alle Inhalte en detail diskutiert werden. Einigkeit bestand aber darin, dass die Quellenarbeit und die Diktion des Videos großen Respekt verdienen. Wer das Video und das Google Doc bislang nur aus der Berichterstattung kennt, sollte definitiv einen Blick in die Primärquelle werfen. Was muss die Politik aus dem Video lernen? Die bisherigen Reaktionen der Spitzenpolitiker können in jedem Fall weder inhaltlich noch formal als adäquate Antwort angesehen werden. Verwunderung gab es von Seiten der Teilnehmer auch darüber, wie schwer sich die Politik in Deutschland oft mit langfristig denkender Digitalpolitik tut. Das Zitat bezogen auf 5G an “jeder Milchkanne” ist dabei nur ein Symptom – allerdings ein besonders ärgerliches.

Wie jede Generation vor uns leben wir in Zeiten, in denen viel auf dem Spiel steht.

Quo Vadis, Europa?

Die Tagespolitik in Deutschland ist oft noch von der Auseinandersetzung des Bundes gegen die Länder geprägt. Siehe den Streit um den Digitalpakt. Dabei ist längst klar: Die wirklich notwendigen Herausforderungen angesichts der Digitalisierung lassen sich schon jetzt nicht mehr auf Ebene der Nationalstaaten lösen. Das gilt für die Bildung ebenso wie für eine KI-Strategie, bis hin zur Frage, wie wir im Zeitalter der Digitalisierung die Verteilung des Kapitals regeln können und wollen.

Angesichts des Status Quo der Digitalwirtschaft in Europa und der digitalen Infrastruktur, darf gefragt werden, ob Europa hier überhaupt noch aufholen kann. Doch selbst wenn, ist die Frage nach dem wie die deutlich interessantere. Ein reines Nacheifern der Strukturen und Lösungen, die wir in USA und China sehen, sind wohl kaum mit den europäischen Vorstellungen von Sozial- und Rechtsstaat vereinbar. Gleichzeitig reicht es nicht, sich darauf zu berufen, der ethisch korrekte Verlierer des Wettlaufs um Themen wie KI zu sein. Aktuelle Zeichen aus Russland, USA und China müssen hier aufrütteln. Wer international eine Rolle spielen möchte, muss spieltheoretisch handlungsfähig bleiben.

Wie also kann eine Lösung aussehen, die mit Europas Grundwerten vereinbar ist? Was ist der europäische Weg, der uns in die wünschenswerte Zukunft führen kann?

Drei von vielen Erfolgsfaktoren

Drei Muster haben sich im Laufe des Abends aus meiner Sicht herausgebildet, die hier eine – erste und unvollständige – Antwort geben können.

1) Zunächst der Wunsch nach langfristigerem, strategischerem und systemischerem Denken in der Politik. Öfter die Meta-Perspektive einnehmen. Dynamische Systeme als solche erkennen und steuern. In Grundbegriffen und grundlegenden Zusammenhängen – Modebegriff “first principles” – denken. Dafür wird es langfristig auch neue Kennzahlen – Modebegriff KPIs – benötigen. Politik als reiner reaktiver Ausgleich von Interessen schafft Stabilität, aber ist langfristig gefährlich. Eine Politik, die nur in Zeiträumen einer Legislaturperiode denkt, kann international nicht mithalten. 

2) Doch was tun, wenn der Wählerwille nicht mitzieht? Ein Thema, auf das die Diskussion im Salon immer wieder zurückkam, ist die Bildung. Die zukunftsfähige europäische Demokratie kann nur eine hochgradig gebildete und erklärende Demokratie sein. Es reicht nicht, wenn eine Elite ein Handeln im Sinne des ersten Punktes versteht und vorschlägt. Bei vielen Fragen sind die notwendigen Antworten längst Konsens unter Experten, aber scheitern am Rückhalt der Bevölkerung. Es gibt also langfristig keine bessere Investition als die in die Köpfe der Bürger. Und wer bei Bildung nur an Schulen und Hochschulen denkt, vergisst den wichtigsten Punkt: Das lebenslange Lernen.

3) Um eine Politik im Sinne des ersten Punktes zu gestalten und im Sinne des zweiten Punktes zu ermöglichen, kommt schnell auf den dritten Punkt. Auch dieser Punkt war ein rekursives Motiv in unserer Runde: Die Kooperation. Gerade jetzt, wo die Sicherheit der großen Volksparteien schwindet, benötigt es agile Allianzen, die gemeinsam im Namen der richtigen Sache handeln. Das gilt für Parteien ebenso wie für das Zusammenspiel aus Staat, Wirtschaft, Medien und Zivilgesellschaft. Und natürlich gilt es für die Nationalstaaten in Europa und darüber hinaus.

Fazit

Ein Beispiel aus der Salonrunde illustriert den Handlungsbedarf perfekt: Eine Teilnehmerin hatte sämtlichen Schulen in ihrer Nähe angeboten, dort ehrenamtlich Programmierunterricht zu geben. Keine einzige Schule hatte sich zurückgemeldet. Die langfristige Perspektive (Code Literacy als Kernkompetenz im 21. Jahrhundert) scheiterte hier an dem Punkt, an dem sie ansetzen muss (Bildung) aufgrund von nicht gelernter Kooperation (zwischen Zivilgesellschaft und staatlicher Struktur).

Die positive Botschaft ist jedoch: Europa hat die Ressourcen, die wir brauchen. Wir haben über eine halbe Milliarde Menschen, die sich eine bessere Zukunft wünschen. Wir haben eine hoffnungsvolle neue Generation, die sich politisch einbringt. Und die haben alle Smartphones in der Tasche, die die in Schulen übliche Ausstattung des Computerraums in Sachen Rechenpower und Medientechnik weit übertrifft. 

Machen wir etwas daraus!


DER UTOPISCHE SALON IM JANUAR 2019 IN FRANKFURT

Der Utopische Salon und die Rolle der Politik – Teil 1: Regulieren? Infrastruktur bereitstellen? Vorhaben fördern? Aktiv gestalten? …

Im Utopischen Salon machen wir uns Gedanken darüber, wie wir heute die Welt von morgen gestalten können, eine lebenswerte Welt, in der realistische Utopien wahr werden (und nicht die allgegenwärtig kursierenden Schreckensszenarien). Dafür braucht es eine breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit für diese Themen, den Willen, sich mit diesen auseinanderzusetzen und den Glauben an die eigene Wirksamkeit, etwas zum besseren bewegen zu können. Wir wollen nicht zu- oder gar wegsehen, sondern denken und handeln. Wir wollen nicht auf die Politik warten, richtig – und doch ist die Politik ein gestaltender Teil der Gesellschaft, eine Kraft, die wir nicht ignorieren dürfen, wenn wir wirksam sein wollen. Demokratie ist ein hohes Gut, das aktive Beteiligung und Einmischung braucht. Schon bei unserer letzten Diskussion zum Thema „Ethik und Werte“ haben wir immer wieder politische Fragen gestreift, z.B. wieviel Gleichheit braucht die Demokratie? Kann/soll staatliche Intervention dies lenken?

Welche Rolle können und sollten Politik und gesellschaftliche Institutionen im Rahmen der Digitalisierung spielen?

Regulieren? Infrastruktur bereitstellen? Vorhaben fördern? Aktiv gestalten? …

  • Was können wir tun, um politischen Diskurs und Entscheidungsfindung sinnvoll voranzutreiben?
  • Wie können wir dazu beitragen, dass Politiker aller Generationen auf Augenhöhe kommen und mit den Entwicklungen (mindestens) Schritt halten?
  • Welche Rahmenbedingungen brauchen wir seitens der Politik im Hinblick auf unsere Themen, angefangen bei Werten und Ethik über Bildung bis hin zur Zukunft der Arbeit und ein selbstbestimmtes Leben?
  • Sollten wir uns stärker in den politischen Diskurs einbringen und wenn ja – wie?
  • Müssen wir dazu jetzt alle selbst in die Politik gehen 😉

Ein Fazit: beim nächsten Utopischen Salon werden wir gezielt Vertreter aus der Politik einladen, um die Themen gemeinsam zu diskutieren und zu transportieren – also: mehr demnächst in diesem Kino …


Der Utopische Salon im September 2018 in Frankfurt

Ethik und Werte im digitalen Zeitalter

Ein zugegebenermaßen gigantisches Thema für einen einzigen Abend – there’s definitely more to come …

Die Fragen, die uns beschäftigt haben – kurz angerissen:

  • Hat Digitalisierung einen Einfluss auf den gesellschaftlichen Werte-Konsens und wenn ja – welchen?
  • Ist die Digitalisierung der Auslöser oder eher der „Brandbeschleuniger“ für ohnehin zugrundeliegende Entwicklungen?
  • Was hat sich bereits geändert – und warum?
  • In diesem Zusammenhang viel diskutiertes Beispiel: autonomes Fahren und der oft strapazierte „Death Algorithm“ – wer oder was ist „schuld“, wenn doch etwas passiert? Geht es dabei um Haftungsfragen (juristisch lösbar) oder doch auch um Genugtuung/“Rache“ (schwierig …)?
  • Wieviel individuelle (Entscheidungs-)Freiheit verträgt die Zukunft (denn „richtig“ oder „falsch“ im ethischen Sinne braucht ja die Freiheit, sich für das eine oder andere entscheiden zu können)?
  • Braucht es neue/andere Werte? Oder eher eine Renaissance des Humanismus?
  • Wird die digitale Ökonomie („Exonomics“) die Gesellschaft spalten – oder sind das sowieso nur Hirngespinste?
  • Wieviel Gleichheit braucht die Demokratie?
  • Kann/soll staatliche Intervention dies lenken (z.B. „reward work, not wealth“)?
  • (Wie) können wir die Entwicklung gestalten?

Der Utopische Salon im Mai 2018 in FrankfurT

Künstliche Intelligenz: Mythos, Hype und Realität

Künstliche Intelligenz (oder AI: Artificial Intelligence) ist derzeit in aller Munde und (vielleicht neben Blockchain) das Hype-Thema schlechthin. Dabei wird der Begriff „AI“ recht unscharf verwendet: die Bandbreite geht vom simplen Computerprogramm über Data Science bis hin zur kognitiven künstlichen Intelligenz der Science Fiction. In den meisten Fällen ist allerdings Machine Learning gemeint, eine AI-Disziplin auf Basis neuronaler Netzte, die große Datenmengen als Input benötigt. Ein weiterer, durchaus auch spannender Ansatz ist Machine Reasoning, eine Weiterentwicklung der Expertensysteme der 1980er Jahre. Eine Gemeinsamkeit ist, dass die Methoden an sich bereits seit geraumer Zeit in der Wissenschaft und auch in Nischenbereichen der Wirtschaft entwickelt und eingesetzt werden, jetzt aber aufgrund verfügbarer Rechenleistung und auswertbarer Daten in allen Lebensbereichen mehr und mehr zum Einsatz kommen. Zu Gast war der Utopische Salon dieses Mal bei Chris Boos, Gründer und CEO von Arago. Chris ist Vordenker und Pionier auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Es war daher naheliegend, einige Frage zur AI näher zu beleuchten und zu diskutieren.

Was kann AI heute wirklich?

Welche Ansätze gibt es? Welche Disziplin ist für welchen Zweck am besten geeignet und warum? Warum erkennt ein Algorithmus, den ich aufwändig auf Katzenfotos trainiere nicht automatisch auch Meerschweinchen (man nennt das „Narrow AI“)? Gibt es nicht auch so etwas wie „General AI“? Was kann die und wo sind die Grenzen? Warum sollten wir trotzdem – oder gerade deshalb – nicht aufhören, selbst zu denken und zu lenken? 

Was entsteht da – und ist uns das ähnlich?

Wird uns AI erst simulieren und dann ersetzen? Auffällig ist, dass Computer und Maschinen gerade da besonders gut sind, wo wir Menschen das nicht sind – und umgekehrt. Das gilt für alle heute bekannten Arten von AI. Aber werden die Expertensysteme jetzt tatsächlich selbst die besten menschlichen Experten überholen? Immerhin spielen die Maschinen schon heute besser Schach, Go und Civilization als die menschlichen (Groß-)Meister … Oder werden eher die Tätigkeiten automatisiert, bei denen Menschen heute mehr oder weniger so arbeiten (müssen) wie Maschinen – „Herrn Taylor sei Dank“ – also Prozesse mit repetitiven Aufgaben, bei denen es auf Vollständigkeit oder Fehlerfreiheit ankommt? Das wären ja genau die Tätigkeiten, die den meisten Menschen ohnehin wenig Spaß machen … Gerade deshalb müssen wir uns heute (!) mit den Folgen für den einzelnen und die Gesellschaft auseinandersetzen. Dann könnte das tatsächlich eine Chance sein, uns wieder mehr auf das zu konzentrieren, was uns eigentlich ausmacht, nämlich Neugier, Kreativität und der Austausch mit anderen Menschen!

Wie wird die Entwicklung weitergehen?

Tja, die Gretchenfrage … Fakt ist: AI ist aus vielen Lebensbereichen bereits heute nicht mehr wegzudenken – und wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, die unaufhaltsam weitergeht. Aber in welche Richtung? Passiert das einfach alles oder können wir beeinflussen, steuern und wie? Wie sähe eine gute Vision der Zukunft aus?

Der Utopische Salon im Februar 2018 in FrankfurT

Aufgrund des mit steigender Rechenpower immer realistischeren Einsatzes von Robotic Process Automation, Machine Learning und dynamischer Expertensysteme sagen Studien massive Arbeitsplatzverluste bereits in den nächsten zehn Jahren voraus, die nicht nur die einfachsten Tätigkeiten betreffen. Die Presse greift dies auf, zum Teil mit alarmistischen Untertönen.

Das Thema „Zukunft der Arbeit“ ist in aller Munde

Auch wir haben uns beim Utopischen Salon im Februar in Frankfurt damit beschäftigt – auch wir haben mehr Fragen als Antworten, denken aber, dass man bereits manche Fragen differenzierter stellen muss. Einige Aspekte, die wir dabei angeschnitten haben, waren (unter anderem):

Bedingungsloses Grundeinkommen

Wenn Maschinen zunehmend Teile der Wertschöpfung bzw. ganze Wertschöpfungsketten übernehmen: was heißt das für die Menschen? Wie allokieren wir neu? Löst ein bedingungsloses Grundeinkommen die entstehenden Probleme? Bräuchte es dafür nicht globale Sozialstandards (und dementsprechend eine sehr weitreichende internationale Kooperation)? Oder sollte man das Konzept besser lokal „verproben“ und Erfahrungen sammeln?

Welche Jobs sind überhaupt wie stark betroffen?

Studien betrachten meist ganze Berufsbilder, in Wirklichkeit sind es aber dezidierte Aufgaben, die nach und nach (und nicht erst seit heute) durch Maschinen ersetzt werden. Vor allem regelbasierte und repetitive Aufgaben können gut von Maschinen übernommen werden, d.h. alles, wo Menschen heute mehr oder weniger „maschinenähnlich“ arbeiten. Dadurch werden sich Jobs weiter massiv verändern, aber nicht zwingend ersatzlos entfallen.

Lebenslanges Lernen

Die drei Phasen Ausbildung – Arbeit – Ruhestand sind heute schon passé. Ebenso suggerieren Initiativen wie der „digitale Führerschein“, den viele Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten, ein statisches Wissen, das man sich einmal erwirbt und dann für immer anwendet. Tatsächlich ist das Leben bereits heute geprägt durch eine Vielzahl individueller Phasen, von Neuanfängen und kontinuierlichem Lernen. Wissen und Expertise sind kein statisches Asset, das man über einen langen Zeitraum „auscashen“ kann.

Lust und Last der Freiheit

Wird es überhaupt noch Jobs im heutigen Sinne geben („Zeit gegen Geld?“) oder werden wir unsere Zeit, Energie, Intelligenz, Kreativität, Fürsorge anderweitig einsetzen können? Wer wird sich diese Freiheit leisten können – oder hängen wir den Großteil der Menschen ab (Szenario „Drogen und Computerspiele“)? Welchen Anteil haben einerseits Genetik, andererseits Erziehung und Bildung an Fähigkeiten wie Selbststeuerung und Impulskontrolle – unverzichtbar, wenn äußere Zwänge wie „geregelte Arbeit“ entfallen?